Mittwoch, 29. März 2017

akademischer Engel der Sozialogie



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„Die Erbsünde der Soziologie“



Lieber Michael!

Danke für das ausführliche Kommentar! Ich bin ein Außenseiter, wohl mit eingehender Kenntnis von Philosophie und Soziologie, aber als Zeichner, Maler, Performancekünstler schaue ich auf Soziologie, Philosophie mit einem anderen Blick.

Ich tue mich selbst schwer, genau zu erfassen, was ich da zu sehen vermeine, es ist eher eine Ahnung als ein wirkliches Wissen, auch wenn die Behauptungsform dies suggerieren mag.

Was ich vermeine festzustellen, umfasst die gesamte Soziologie, die Form der Verständigung über soziale Sachverhalte, wie die Verständigung selbst.

Schaut der Soziologe auf etwas, suche er das sozial Wirksame, soziale Strukturen, Mechanismen, das im Sozialen Aufgehobene, Integrierte, Ausgeschlossene zu erkennen, sucht sein Realitätssinn soziale Realitäten zu erkennen, die aber an sich selbst, in ihrem Sein, gar nicht sozial sind, damit hat sich das Blinde  schon eingeschlichen.  Wie die Natur ist das Soziale selbst (nicht nur „ex post“) sozial nicht einsichtig, der Soziologe ist in der Soziologie wie der Fisch im Wasser. Der Soziologe ist der Vertriebene aus dem Paradies und damit ist er mit der Ursünde sozial (nicht moralisch gemeint) sein zu müssen behaftet.

Was ist das, was sozial bestimmend ist, selbst aber nicht sozial ist? Oder anders gesagt, gibt es überhaupt die Möglichkeit dieses andere, Jenseitige des Sozialen zu erkennen, wenn doch alles vermittelt ist und dadurch schon selbst sozial bestimmt ist.

Ich meine hierher gehört der Begriff der Differenz wie ihn Soziologen u.a. N. Luhmann verwenden.

Zwischen was und was kann die Differenz festgestellt werden? Wie Du treffend sagst, erscheint   
Der Begriff der Realität ........ als Begriff jenseits der Form von Beobachtung differenzlos“.

Die Differenz muss beobachtet werden können. Das sollte sie auch, nur erscheint z.B. Natur nicht in einer Differenz zu deren sozialen Wirkung, außer man nennt das Zuschlagen der Natur, die Katastrophe Differenz, außer man nennt die Ausbeutung der Natur Differenz? Wenn Ereignisse wie in Fokushima, wo die Brennstäbe durchbrannten, wenn ein Sturm, ein Erdbeben, eine Lawine, eine Ölkatastrophe, der Bruch eines Staudammes nicht absehbar sind, die Börse, der Geldmarkt zusammenbricht usw. so schlägt dies völlig differenzlos zu. Die Differenz zeigt sich an der Zerstörung, am Kollaps.

Auch wenn im Privaten Unabsehbares wie Tod, Krankheit, Unfall, Trennung ...uns trifft, ist das nicht mehr Kontingenz, ist das nicht mehr Differenz, sondern der Wahnsinn!

Soziologisch ist das nur eine Zahl, eine Möglichkeit, eines von vielen. Unsere Wirklichkeit ist aber das des Einzelnen, des Singulär, welcher wiederum, von einer sozialen Struktur aufgehoben, geborgen oder ausgeschieden werden kann.

Dass er aber nicht immer aufgehoben, geborgen, ausgestoßen werden kann, ist sozial schwer fassbar. Das entzieht sich dem Sozialen, bzw. ist sogar sozial gefährdend.

Ein anderer Aspekt:  Die Sozialgesetzgebung Mitteleuropas ist eine wunderbare Errungenschaft, die soziales Verhalten institutionalisiert und damit eigenverantwortliches Sozialverhalten abbaut, so, dass unsere Gesellschaften segmentiert werden, in solche, die ehrgeizig in der „Vertikalspannung“ mithalten können und die, die „horizontal“ mitgeschleppt werden.

Mein Vergleich des blinden Fleckes der Soziologie mit der Erbsünde hat Proteste ausgelöst. Man hat mich des „Neusprechs“ aus George Orwells Roman „1984“ bezichtigt, was mir unverständlich ist,  da der Sündenfall theologisch, als das Sich-seiner-gewahr-Werden des Menschen angesehen wird. Der Mensch wird sich seines Begehrens bewusst und erkennt sich als Denkender.

Den Sündenfall, an den die Erbsünde theologisch gebunden ist. metaphorisch mit dem blinden Fleck der Soziologie zu vergleichen scheint mir ein geeigneter Vergleich, der, wie sich zeigt auch produktiv wird.  

Den blinden Fleck über den Subjektbegriff anzuvisieren, ist aber kein einfaches Unternehmen.

Natur, Machtverhältnisse, gesellschaftliche Normen, Gewohnheiten, Strukturen und Systeme, ja die Sprache selbst als handelndes Subjekt anzusehen im Gegensatz zum Subjekt des Menschen im Singular.
Ja! Was heißt das?

Die Sprache, die sich selbst spricht, die Medien die ihre eigene Botschaft sind, das verbindliche „man“, das Gesetz das eine gelebte Moral voraussetzt oder die gelebte Moral, die ein Gesetz nötig hat, das Subjekt, das sich aus seinem Gegensatz, aus der Strafe, der Züchtigung, der Anarchie, dem Widerstand bildete, die Naturgesetze, die Begrenzung der Ressource, wie der mineralischen Vorkommen, die so oft genannten Algorithmen......all die können Subjekte sein, Subjekte, die sich selbst einbringen und so bestimmend wirken, dem gegenüber das menschliche Subjekt sich als Einzelner wie als soziales Ganzes anpassen muss.

Ob scheinbar oder notwendig bleibt dann immer noch die große Frage.

Das Notwendigkeits-Argument ist ja, als Faktum bezeichnete immer noch das siegreiche und schlagende Argument.

Es stellt sich die einfache Frage: Wieso ich die Aufgezählten oben nicht als Objekte bezeichne? Indem ich sie als Subjekte einführe, verkompliziere ich doch nur alles?

Diese Frage hebe ich mir für das nächste Mal auf!

Das wären einige unterschiedliche Einfärbungen der blinden Flecken im Auge des Soziologen.

Mit Grüßen aus den sonnigen Bergen

Günter L.

P.S.: Die bisherigen Sicht von Individuum und Umwelt gehen davon aus, dass sich der Mensch die Umwelt, vergleichbar mit dem Tier „weltoffen“ erschließt und das ihm Fremde integriert. Ich hingegen gehe in meiner Vermutung davon aus, dass der Mensch alles was sonst Umwelt genannt wird, in sich hat, welches im Denken ihm verloren ging, er es sich aber auch nur über das Denken wieder aneignen kann (im Schweiße seines Angesichts).

Der Unterschied zu den bisherigen Mensch-Umweltkonstruktionen hat er die Umwelt in sich (nicht solipsistisch, sondern über seinen Körper ist ihm Umwelt (materiell) biologisch und geistig gegenwärtig), die er sich über eine erwärmtes Denken erschließen kann – erschließt!


Dank an Wolfgang Essbach und dem Hinweis auf seinen Artikel: „Zur Anthropologie artifizieller Umwelt“ in „Ökohistorische Reflexionen“ (Hg.) Kurt W.Alt/Natascha Rauschenberger


  

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