Freitag, 24. März 2017

"Erbsünde der Soziologie" von G.L.

 

Engel der Soziologie




Der Gründungsmythos der Soziologie:

Ich fragte mich immer wieder, was macht es fast unmöglich, mit Soziologen zu sprechen, insbesondere  mit jenen, die sich an N. Luhmann und Dirk Baecker orientieren.

Ich meine inzwischen die Ursünde der Soziologie ausgemacht zu haben, die mit der Gründung der Soziologie die Sicht von Welt zu trüben scheint.

Schaut jemand die Welt daraufhin an, was Menschen untereinander, miteinander an Welt geschaffen oder auch nicht geschaffen, sondern sich in sie ein-gewohnt haben, schaue ich auf  Recht, Staatsformen, Gesetzgebung, Strafvollzug, Wirtschaft, Familie, Geschlechterrollen, auf Sprach-, Sprech-, Verhaltensformen, auf Religion und so fort  immer in Hinblick darauf, wie diese Formen und Institutionen Gesellschaft bestimmen, so entsteht eine großer blinder Fleck, der von der Soziologie nur als Differenz, als unmarkierte Stelle, als die Gesellschaft wohl Beeinflussendes aber gesellschaftlich nicht Erfassbares eingestuft werden muss.
 
So einfach kann der blinder Fleck nicht benannt werden, aber der Begriff, welcher diesen Weltbereich ausblendet, kann deutlich gesagt werden, es ist der Begriff von Realität, der - wird er von woanders her als aus der Sicht des Menschen erfasst - er diesen blinden Fleck aufhellen kann.

Sofort wird jeder Aufgeklärte rufen: "Das geht nicht, alle Sicht ist subjektiv und damit die des Menschen!"

Nun ist aber das Bild und der Begriff des Menschen der nachkantischen Zeit, seit der wir mit dem Subjekt zu rechnen haben, ein völlig anderes als das Bild des Menschen, welches bis in die Barockzeit  hinein verbindlich war.

Da war der Mensch nicht das Subjekt, das die Welt bestimmt, im Gegenteil, der Mensch war nur ein Teil, ein oftmals sehr geringer Teil, der darauf hoffen konnte, dass die Götter, Gott, der von Gott gegebene Herrscher, die Fürsten und Lehensherren, der Stadtadel, die Sippe, sein Volk und die benachbarten Völker ihm mild gestimmt  waren, dass Jahreszeiten, Wetter, Klima, Wachstum der Pflanzen, Gedeihen der Tiere, die lebendige Erde und die über allem prangenden Sterne ihm wohl gesonnen waren.

Das war und ist zu einem Teil noch immer Realität, eine Realität, die sich im Sozialen wohl abbildet, aber als außersoziale Realität von der Soziologie qua ihrer Selbstbeschränkung nicht erkannt werden kann.

Oder, habe ich da etwas nicht gesehen? Dann müsste die Soziologie irgendwann jenen Schritt unternommen haben, den Jakob Johann Baron von Uexküll für die Biologie unternahm, indem er den Begriff der Umwelt einführte.
Mit dem feinen Unterschied, dass die Soziologie deren Umwelt nicht als sozial anzusehen hätte, sondern als Voraussetzung des Sozialen, die selbst im Sozialen als etwas anderes erscheint.

Die größte Problematik kommt dann zustande, wenn das Soziale selbst als das Soziale wohl bestimmend, aber gleichzeitig ihm entzogen gedacht werden muss.

Sprache, Machtstrukturen, Natur, Religion sind sozial, aber gleichzeitig immer auch dem Sozialen entzogen.

Sie treten als Subjekt auf obwohl sie kein Subjekt sind, oder schwer in die Subjektivität integriert werden können.

Die Erbsünde der Soziologie ist die Differenz, die den Unterschied 
von dem was nicht vom Menschen ist, diesen aber bestimmt und dem was vom Menschen ist, ausmacht. Anders gesagt, Differenz ist der Unterschied von menschlichem Subjektes und nicht menschlichem Subjekt wie z.B. der Natur.

Das Ende der Differenz bestimmen wiederum Engel und Götter!
G.L.


 



      

 



 



      

 

1 Kommentar:

  1. Könnte evtl die Ästhetik hier weiterhelfen? Bei der Beobachtung von Differenz geht es um Wahrnehmung, und Wahrnehmung, αισθήσις, ist das Thema der Ästhetik. Zugegeben: das ist kein Ansatz der universitären Wissenschaft. Aber dem verstehen Wollenden wird jedes Mittel recht sein, Erkenntnis zu erlangen. Ich verstehe Stefan M. Seydels Experimente mit Twitter, Snapchat usw als Forschungen mit Mitteln der Ästhetik. Und auch Sie stellen Ihrem Beitrag eine Zeichnung voran, die zwar unabhängig von ihm entstand, aber die sie ihm nun als Motto oder Überschrift zuordnen: Offenbar vermag sie etwas über Ihr Anliegen zu "sagen".
    Ich meine nicht, dass wir - um ein beliebtes Mem ein weiteres Mal zu strapazieren - die Bedeutung der Religion für die Gesellschaft tanzen sollten, wie man angeblich an anthroposophischen Schulen lernt, seinen Namen zu tanzen. Aber möglicherweise beschneiden wir uns mit der Fokussierung auf das "wissenschaftliche" Arbeiten unsere Erkenntnis- und Aussagemöglichkeiten erheblich. Aussagen müssen sprachliche Form haben, um überprüfbar zu sein. Aber wer sagt denn, dass Erkenntnisgewinn nur über Sprache möglich ist? Unser Kopf ist, um es mit Thoreau zu sagen, ein Instrument zum Bohren; welchen Bohrer ich einsetze, richtet sich, um im Bild zu bleiben, nach der Art des zu bohrenden. Konkret: Möglicherweise lässt sich über die Rolle der Religion für die Gesellschaft über den "Umweg" über ein Theaterstück, einen Roman, ein Gemälde etwas sagen - das dann wiederum in Worte gefasst, interpretiert wird. Aber vielleicht kann man die gesellschaftlichen Äußerungen der Religion, des Rechts, der Familie etc als "Kunstwerke" im Beuysschen Sinne begreifen und durch deren Interpretation etwas über ihre gesellschaftliche Rolle erfahren?

    Güntzel Schmidt
    @guentzels

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