Montag, 24. April 2017

Ihr Lieben von der „Gottsucherbande“!

 Ich erschaffe mir meinen eigenen Gegner 




Ihr Lieben von der „Gottsucherbande“!
https://noradioshow.noradio.eu/noradioshow014/ 

Wenn Ihr wüsstet, wie schwer es mir war, euch zuzuhören, da ich schon bei der Themenstellung ahnte, wie verwundet – auch im Sinne von verletztend – die Fragestellung angelegt ist:

Welche Machtgeilheit steckt doch in der Anmaßung zwei Worte, zwei Begriffe  zu nehmen, hinter denen sich sehr schwierig zu fassende Phänomene verbergen - von denen nicht mal klar ist, ob es sich überhaupt um zwei gegensätzliche  Phänomene handelt – und dann noch anzunehmen (Stefan), diese wie Objekte vergleichen zu können.

Da ist es fast ein Wunder wenn Stefan so interessante Fragen, wie die nach der Individualität ( behandelt u.a. von M. Foucault im Spätwerk) rausarbeitet, auf die aber nicht eingegangen wird.

In dem Nennen  der Namen – Wissenschaft/Religion - ist das Wissen ignoriert, das in dem ersten Gebot gefasst wurde: Gib Gott keinen Namen und wenn, gib ihm 100 Namen. (Auslegung der Israelis).

Wenn Regula die Machtfrage stellt, ist sie zu allererst auf die Ermächtigung anzuwenden, die geschieht, geht jemand von Wissenschaft und Religion unhinterfragt aus, vergleicht und beurteilt diese auch noch. 

Die wirklich sehr aufwendige Frage, wie diese Phänomene heute auf den verschiedensten Ebenen ( in der öffentlichen Meinung, als Institution, eingegangen in die rechtlichen Strukturen, individual--psyschologisch, als sich wechselseitig Ersetzendes, als geschichtlich Wirkmächtiges, als Vordergründigkeit für Hintergründe, als blinder Fleck und und und ) wirken, kann so nie erfasst werden, gerät man im Vergleichen doch immer in die Antinomie-Falle.

Es ist dumm, naiv, gepaart mit einem ungeheueren Macht- und Verfügungsanspruch mit so großen Gebilden hantieren zu wollen, ( hier würde Stefan üblich den Buchdruck und Journalismusvorwurf einbringen) ohne vorher diese mit aller Vorsicht anzusehen, wie und wo diese Bomben scharf gemacht wurden, wer und wo hier wie schläft?

Wie kann bei solch umfassenden Gebilden gesichert davon ausgegangen werden über was jeweils gesprochen wird?

Auch der Versuch von Moritz, den Zweien eine Drei anzufügen in Form der Frage nach der Wahrheit, muss scheitern, wird doch nur ein vergleichender Parameter eingeführt, anhand dessen wiederum Phänomene verglichen werden, die sich gewendet sofort in ihr Gegenteil verwandeln, z.B.:

Zuerst wird behauptet, in der Wissenschaft käme es mehr auf die Methode an, in der Religion eher auf das Ziel und dann muss zugeben werden, dass gerade in der Religion, in Form von Theologie der Zweifel konstituierend ist, während die Wissenschaft in Gestalt der Wissenschaftsloby vom Wahrheitsanspruch der Wissenschaft ausgeht!

Könntet Ihr denn einmal etwas bescheidener und umsichtiger an Phänomene herangehen, müsst Ihr  immer als Übergötter auftreten, die mit dem Weltgeschehen  zu hantieren vermögen.

Genau genommen läuft so eine Ermächtigung letztlich auf Gewalt hinaus, da, wenn die Welt nicht so ist, wie man sie sich im Geist richtet, muss diese halt so zurechtgerichtet werden.

Es ist schon klar, dass ich jetzt auch ungeheuer anmaßend bin!
Günter Lierschof

Kommentare: https://mitredner.wordpress.com/2017/04/25/kommentar-zu-noradioshow014/comment-page-1/#comment-76


Freitag, 21. April 2017

Kommentar zu Podlog# 108 2017-04-18


Peter Blaas - Überleben mit Bildern - DENKALARM 21.04.017


Kommentar zu Podlog# 108 2017-04-18

Der Gedankenkomplex - es gäbe reale Utopien und die Diagnose, der Kapitalismus sei das beherrschende System, das Lücken, Risse aufweist, die gefüllt werden können oder in das Löcher gerissen werden sollen sowie die Kritik, Risse zu stopfen, Löcher zu reißen sei nur Teil des Systems - schleppt einen solchen Haufen von Gedankenmüll auf die Agora, dass mir ganz schwindelig wird und ich gar nicht weiß, welches Ende zu begreifen ist.

Ich ziehe einfach irgendwo.

Und ich behaupte: Die  marxistische Analyse des Kapitalismus beschreibt und diagnostiziert unsere Welt ziemlich  gut. Weiß man dadurch aber auch, was das kapitalistische System am Laufen  hält? Einige Antworten und deren radikale Wirkung (u.a. Staatskapitalismus) wie die gemäßigten Wirkungen ( sozial-liberale  Marktwirtschaft) kennen wir.

Aber gäbe es nicht zumindest die Denkmöglichkeit, ein noch umfassenderes System zu ersinnen - hier nur hilfsweise als System bezeichnet –, aus dem der Kapitalismus sich nährt und ihm immer wieder ermöglicht, sich zu erneuern, sich anzupassen, ihn trotz sozialdemokratischer und liberaler Einhegung nur noch stärker werden zu lassen?

Die Systemtheorie hat zumindest den formalen Versuch unternommen, ohne Nennung eines höheren Systems im Zusammenspiel vieler Systeme eine Lösung zu sehen.

Max Webers Versuch, die moralisch-ethischen Fundamente des Kapitalismus zu fassen, ist ein inhaltlicher Versuch, sich der Frage zu nähern, was das größere „System“,  nämlich die Ethik sein könnte, die den Kapitalismus füttert.

Könnten wir ein „System“ denken, das gerade, weil es nicht da ist, aber einmal da war, den Kapitalismus füttert und wir diesen mit jenem nicht vorhandenen System verwechseln?

Die Erscheinungen der Gegenwart mit ihren fundamentalistisch-religiösen Anschauungen schreien geradezu danach, dieses System, das als Fehlendes überall präsent ist, als eines anzusehen, das zumindest Elemente aus den Religionen an sich hat.

Mehr kann ich Moment dazu nicht sagen ....   

Ich versuche aber den Haufen, der auf der Agora liegt, noch von einer ganz anderen Seite zu betrachten:

Wie kommt jemand zu der überheblichen Auffassung, die Welt ist so, wie sie ist, falsch und er müsse nach der richtigen suchen oder könnte in ihr eine Alternative aufbauen?

Ich frage mich, wie mag derjenige die Welt erkennen, wie kann er wissen, was das Telos dieser Welt ist, was in ihr möglich und unmöglich ist? Und ich frage mich weiter, wenn der Kapitalismus so bestimmend für unser Leben sein mag, wie kann jemand, der von dieser Annahmen ausgeht, vermuten, selber eine Ausnahme zu sein, der Bedingungen im Kleinen  schaffen könne, in denen er von der Welt unbeeinflusst mit anderen leben kann?

Wie kann er es schaffen, in einer alternativen Gemeinschaft, unabhängig von kapitalistischen Werten zu leben, frage ich mich. Funktioniert so eine Gemeinschaft nicht nur, wenn die größere Gesellschaft, in der diese Gemeinschaft lebt, eben solche Modelle anerkennt, wie z.B. das in einem der letzten Kommentare erwähnte Mönchstum ?

Ich kann von mir nur sagen, mit der Welt, mit dem Leben komme ich nicht zurecht, für mich ist das Leben nicht zu bewältigen. Ich habe das Leben, ich habe diese Welt nicht im Griff. Und ich weiß nicht so genau, wo und wieweit diese Welt mich im Griff hat, auch wenn ich da einiges ahne....

Davon bemerkt man nicht viel, und ich komme  mit meinem Durcheinander ganz gut zurecht. Betrachte ich mich von aussen, bin ich sogar in meinem Chaos stabiler als viele, die alles im Griff zu haben scheinen.

Ich vermute, Ordnung und Chaos, beides ist Ausdruck des Kapitalismus. Das eine erzeugt er, um das andere anbieten zu können – immer ein gutes Geschäft!

Aber was soll das hier?

Von mir abgesehen, stellt sich diese Frage als die Frage des Alltags und wieweit der Kapitalismus darauf Einfluss nimmt, nehmen kann?

Die Antwort muss wohl eindeutig heißen: Ja! Von der Wohnsituation, Ernährung und auch im Verhältnis zu den Menschen, auf den Tages-, Jahres- und Lebenslauf bezogen nimmt der Kapitalismus gewaltigen Einfluss. Nicht nur materiell und dadurch auch moralisch, sondern auch auf der moralischen Ebene für sich hat der Kapitalismus seine bestimmte Wirkungen, verfügt er doch weitgehend wer und wo jemand in der Gemeinschaft steht.

Wie kann ich dies beeinflussen?

Schließen wir alternative Lebens-, Gemeinschafts  und Arbeitszusammenhänge einmal aus ( die im Kleinen  das kapitalistische Ego in Form von Sektenbildungen meist nur noch verstärken)  und sehe ich mich als  jemand  an, so kann ich den Kapitalismus über Politik beeinflussen oder, indem ich selbst ein besserer Kapitalist werde, indem ich erfolgreich bin, was sich weitgehend pekuniär abbildet. Dann bin ich dem Kapitalismus aber voll ausgeliefert.

Will oder kann ich z.B.  auf Grund einer zu erhaltenden Familie - dem Erfolgsstreben nicht entsprechen, werde ich mich den Leistungsanforderungen, die die Arbeitswelt zunehmenden fordert, trotzdem nicht entziehen können. 

Als Konsument, als jemand, der Geld verdient und ausgibt und mit ihm umsichtig umgeht, habe ich die Möglichkeit, auf der materiellen Ebene seine Wirkung etwas zu neutralisieren. Ich muss dem Kreislauf mehr Geld zu verdienen, erfolgreicher zu sein, mehr wirtschaftlich zu leisten nicht unbedingt folgen. Ich kann mich darin so bewegen, dass ich optimal von ihm profitiere und mich von ihm nur minimal eingeengt fühlen muss.

Ich kann sparen, vernünftig einkaufen und mir und meiner Familie nicht alles, was angesagt ist, leisten, kann die Sozialleistungen optimal nützen und die Arbeitszeit auf das Minimum reduzieren.

All das geht, auch wenn es mehrerer Studien bedarf, um zu wissen, was in der Menge der Angebote haltbar, dauerhaft benutzbar, reparierbar und gesund ist.

Es geht unter Verzicht, wenn ich meinen Lebensinhalt nicht nur aus Arbeit und Konsum besteht, bzw. wenn ich die Freizeit dazu verwende die Vertikalspannung abzubauen, was die Leistungsbereitschaft von der Arbeit in die Freizeit verlagert.  

Auf der ethischen Ebene wird es schon etwas schwieriger, kann ich doch nur selten erkennen, wo und wann ich der Zeit und ihrer  Begehrlichkeiten aufsitze oder von Möglichkeiten Gebrauch mache, die mir der Konsum einfach bietet, ohne dass ich die daran gebundenen „Ausbeutungen“ wirklich wahrnehme oder wahrnehmen will.

Geschweige denn, ich könne an meinem Verhalten immer feststellen, wann ich mir eine Haltung, einen Lebensstil, eine Meinung nur leisten kann, weil ich in Mitteleuropa geboren, erzogen und von allen diesen sozialen und kulturellen Errungenschaften profitiere.

Wie komme ich dann aber dazu zu sagen, die marxistische Analyse sei zutreffend, das Kapital sei immer noch der bestimmende Faktor der Gegenwart, wenn ich in meinem Leben nur davon profitiert habe und das Negative des Systems sich nicht aufdrängt, mir eher Vorteile brachte, sich aber ansonsten  eher verbirgt?

Auch wenn ich in die Welt schaue, sagen mir die Massen, die nach Europa drängen, um an unserer Konsumwelt teilzuhaben doch auch: So schlecht kann diese Konsumkultur nicht sein!
Wenn diese Konsumwelt es ermöglicht, dass theoretisch in Europa keiner hungern müsste, kosten doch drei Schweineschnitzel im Angebot nicht mehr als einen Euro und könnte man von dem, was an Lebensmitteln weggeworfen wird, nicht alle, zumindest die hier Darbenden ernähren?
Können wir uns nicht so Absurditäten wie vegan zu Leben einfach leisten, ohne dessen ökologische Gesamtkonsequenzen im Ganzen zu bedenken.

Scheint es der Kapitalismus doch auch ökonomisch realistisch möglich zu machen, dass in Mitteleuropa das Grundeinkommen für alle  gefordert werden kann?  

Die ökologische Karte jetzt zu ziehen, wäre sicher angebracht, zeigt sich doch am deutlichsten die ausbeutende Tendenz des Kapitalismus an der Natur!

Auch der Hinweis auf die Überproduktion in den Regalen und ausgeweiteten Schauräumen unserer Einkaufszentren mit all den Wegwerfprodukten, der sinnlos vergeudeten Arbeit und den tollen aber unnötigen Werbeeinfällen genügt mir nicht, 
als wirklich überzeugender Hinweis, als Beweis für das Primat des Kapitals in der Gegenwart!

Denn, so vermute ich, all das ist mit Gewinnstreben zu verbinden und kann geändert werden, ohne dass der Kapitalismus an seine Grenzen kommt.

Was kann denn dann überzeugender sein, als die durch Kapitalinteressen ausgebeutete Natur und die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft durch sinnlose Produktion?

Meine Argumente für unsere Konsumkultur, wirft, wenn sie gewendet werden, die Frage auf: Wären wir denn zufrieden, nachdem wir alles Lebensnotwendige  konsumiert haben?

Alle Versprechen, die uns der Konsum zu erfüllen vermag, werden den Menschen, der auch ein geistiges Wesen ist nicht zufriedenzustellen. Die Suche nach dieser geistigen Nahrung kann weitgehend konsumtiv umgeleitet und ersetzt werden, aber zufriedenstellen wird dies uns nicht!

Das Rad des Wünschens wird nur noch schneller gedreht, die Unzufriedenheit und der Hunger wird nur noch größer, Zeit als Vorhandenes nur noch schneller verbraucht, um damit Neue erzeugen zu können.

Insofern wird es auch sehr schwer sein, die Produktion auf eine „vernünftige Produktpalette“ zu reduzieren, da der Konsum als Leerlauf benötigt wird, um die Leere, die er erzeugt, zu füllen mit neu aufgefüllten Regalen ,die wiederum Leere erzeugen.

Vielleicht liegt ja hier die entscheidende Einsicht: Das Begehren ist in seinem Ursprung oder in seinem Wesen nach Geistiges! Die Befriedigung im Konsum machte es zu etwas Materiellem, oder besser gesagt, indem ich es gekauft habe wurde es materiell.

Auch das Geistige muss als materielles erkannt  werden, um als Geistiges zu existieren: Peter Sloterdijk kann für den schlampig runtergelesenen Vortrag so eines Textes, wäre er von ihm, gut mal  20 000.- Euro verlangen. Ich hingegen müsste etwas dafür zahlen, wollte ich ihn vorlesen, schreibe ihn aber trotzdem.

Warum?

Weil ich den Primat des Kapitals erklären will! Um wenigstens den Eindruck von Macht zu haben? Macht über die Begriffe zu haben und damit nicht irgendjemand  zu sein, sondern jemand Bedeutender ?

Der den bedeutendsten Begriff erkennt, muss doch bedeutend sein – oder ?

Sie sehen, wie das Begehren als geistig wirksame Potenz auftritt, dem gegenüber eine Million Dollar nur ein Windhauch ist.

Mit einer Million Dollar oder mit mehreren kann keiner diese Einsicht kaufen, er muss sie haben.

Wobei entscheidend sein wird, die Einsicht nicht mit ihrem Preis zu verwechseln, sondern ihre Plausibilität ihrer Vermittelbarkeit als den Preis anzusehen, der zu zahlen ist!
 
Es kann gesagt werden: Der Konsumismus hat die Antwort gefunden, um als solcher überwunden zu werden: alles kann und muss konsumiert werden!

Dann bitte! Lasst uns alles konsumieren!

Auch die Religionen?

Wieso sollen gerade diese heute aus dem Konsum ausgeschlossen werden?

Soweit können wir es nicht kommen lassen:

Sohn und Vater sind eins!



„Es gehört zur Moral nicht bei sich zu Hause zu sein“
TH. W. Adorno, Minima Moralia §18

Freitag, 14. April 2017

"Heute " aus "Der Hütehunde Sinneslehre" Band 1


Heute


Hundert Heute
ergeben eine Autobahn
ein Kaufhaus, ein Schwimmbad

Zweihundertdreißig Heute
stehen für den Fahrplan
siebentausend-sieben-und-zwanzig
für die Flugbahnen über die Alpen
ein halbes Heute gibt es nicht
minus vierunddreißig Heute - unbekannt

Wenige werden aus den Sandkörnern der Wüste gemacht
andere aus den Blättern der Bäume

Die fleißigen Bienen wie die Faultiere
werden als Quellen genannt

Den Farben des Regenbogens
und den Schwanzfedern der Rotkopfspechte
werden Heute zugewiesen

Die Tautropfen des Morgens
das Rot des Abendhimmels, das schneebedeckte Hafelekar
sie alle zeugen Heute

Deine Augen
und das Lächeln auf Deinem Gesicht
sind Heute

Heute sind die Wünsche und Vorstellungen
die aus den Brüsten der Mütter
aus den Wunden der Menschen
aus den Tränen vieler fließen -
welche Häute verschließen all die Wunden?

Einige Heute fließen den Inn hinunter bis in die Donau
um im Schwarzen Meer sich zu treffen  

Dort könnte das eine
das ganze, das unteilbare Heute
beheimatet sein

Es, das Eine
in Hermagor, in Samarkant und in Brabantim
in Ammerland, in Strautenbach, in Lech und in Lauterach
sich findet

Stellen Sie sich vor
dieses eine Heute
hätte sich als Gestern im Spiegel erblickt
und erschreckt

Denn Gestern und Heute
sahen aus wie Schwestern
was nicht stimmt

Denn Heute sitzt immer noch auf Bäumen
während das Vergangene
nur mit Stangen bewegt werden kann

Hierzu ist auch anzumerken:
Gestern tritt immer verkleidet auf
während ich mir heute einen guten Tag mache
gestern kann ich das nicht mehr

Heute bin ich geboren
heute sterbe ich
heute bin ich verliebt
heute werde ich verlassen

Dem Heute gehören die Kurz- wie die Lang-Vergangenheit
der Morgen und der Abend sind sein Alfa und Omega

Das Heute ist Welt
die kleine wie die große Welt der Leute

Ich verwechsle Dich, Heute,
nicht mit Alltag, mit täglich, mit dem Tag
das tue ich nicht
der Tag vergeht, Alltag wird Sonntag
und täglich ist möglich oder nicht

Du bist
und bitte tu mir nit weh
ich weiß, Du bist mächtig
weder Stalin noch James Joyce konnten es mit Dir aufnehmen
jeder Morgen wird von Dir geprüft

Ja, ich sage Du zu Dir
denn Du bist das Vertraute

Du bist das Hohe Lied der Bilanzen
der Unendlichkeitsrechnung
der Statistiken und Optionen
der Visionen und Utopien

Die Ewigkeit trägt Deine Farbe
nur die Schlaflosigkeit, die Bewusstlosigkeit, das Koma versuchen
mit einem Hauch von Dir auszukommen
Ja, der Schlaf gibt Dir
Bedeutung, Einheit und den Rahmen
innerhalb dessen Du Maß anlegen kannst
innerhalb dessen Zahl und Zeit, Ereignis und Erlebnis
Platz und Abstand nehmen können

Du gibst den Nachrichten Sinn
der Geschichte ihre Orte
der Moral ihre Möglichkeiten

Heute kann ich helfen und nicht morgen
vierzig Heute sind heilig
9999 sind unerreichbar

Du, das eine Heute, bist und bleibst das Größte
das von keiner Zahl einholbare
wir ehren Dich, Heute




Günter Lierschof, aus
„Der Hütehunde Sinneslehre“
Band 1: Anrufe, Aufrufe, Zurufe
Eigenverlag 2015

Mittwoch, 5. April 2017

Sein &Zeit Podcast #43 – Erfahrbarkeit des Todes der anderen


 

Peter Blaas Malerei 2015 ca.100/70 Leimfarbe auf Wellpappe

 

Sein &Zeit Podcast #43 – Erfahrbarkeit des Todes der anderen

 
Ich bin begeistert, wie Ihr auf dieses Kapitel eingegangen seid: Sehr schön !

Heidegger ging es in dem  Kapitel ja darum, mit allen Mitteln unseren Blick auf das existenzielle Ende hinzulenken. Er fuhr mit allem auf, was von dem eigentlichen Erlebnis, was von dem Existenz erschütternden  Erlebnis des Todes als das Ende ablenken könnte, nur durch ihn kann die Wucht des Daseins in seinem Verlust erlebt werden, der „auf diese Grenze hin“ erfahren werden kann.

Dieses für sein Denken Zentrale , aus dem die existenzielle Angst, die Langeweile, der Begriff von Welt (Tiere sind weltarm, da sie ihr Sterben nicht existenziell vor sich haben) und und und erst abgeleitet werden kann, lässt ihn hier doch einiges übersehen.

Gut gefiel es mir, wie Ihr in der Frage des Todes die „alte“ Frage nach der Metaphysik in den Fokus gerückt saht.

Und ich vermute, der Eindruck entstand, da Heidegger den Tod hier radikal „materialistisch“ fokusiert und den Leichnam als nur noch Vorhandenes charakterisiert, an dem wohl Anatomen noch Untersuchungen durchführen können, das dann Lebenden zu Gute kommt, wir den Verstorbenen wohl umsorgen (nicht als Zuhandenes), dieser uns aber das Sterben nicht abnehmen kann, so wie wir keinem anderen dessen Tod abnehmen können.

Mir drängte sich dabei immer wieder der Gedanke auf, dass durch den Tod des anderen nur scheinbar sein Dasein in ein Vorhandensein übergeht, als Beispiel für alles, was zum Objekt werden kann – wie Ihr  angemerkt habt – in Wirklichkeit aber durch den Tod von jemandem,  dessen Dasein viel präsenter werden kann als zu dessen Lebzeit.

(Der Begriff der Intersubjektivität scheint mir hier auch nicht zu greifen – tut er doch so als bezeichne er Gegebenes...? Auch nimmt man dem Denken Heideggers seinen Ansatz, wird es mit Ich, Subjekt und Objekt erklärt - es ist nicht nur ein Stilelemet diese Begriffe nicht einzuführen, hängen doch an den Begriffen ganze Ketten von Operationen und Weltsichten....?)

Dasein, wenn es diese Einheit von Seele, Leben, Geist geben soll, wird gerade im Verlust des Lebens absolut präsent.

Ich erlebe im Tod eines anderen das Vorhandene, jenes, das dieser hinterlässt – und das ist ja nicht nur sein Leichnam - wie mit Dasein aufgeladen.

Wieso streiten wir uns sonst bis heute, was Heidegger, was Hegel gemeint haben mag, wieso finden wir eine Mona  Lisa bis heute noch interessant und rätselhaft, wieso wird erst in der Erzählung ein gelebtes Leben so richtig gegnwärtig? Wieso wird Gegenwart immer nur als vergangene  wahrgenommen?

Diese Fragen gingen mir durch den Kopf angesichts der brutalen Nüchternheit, mit der Heidegger uns den Leichnam hinlegt, der den Menschen als nicht mehr DA kennzeichnet!

Das existenziell Bedrohliche ist ja nicht Heideggers Erfindung, gibt er doch damit auch eine Zeiterscheinung wieder: André Gide, Samuel Beckett, Ernst Jünger, Emil Cioran .... war für sie das vorweggenommene Ende nicht der Maßstab aller Kunst?

Mit freundlichen Grüßen

aus den verregneten Bergen

Günter