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akademischer Engel der Sozialogie |
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Argumente zu
„Die Erbsünde der Soziologie“
Lieber
Michael!
Danke
für das ausführliche Kommentar! Ich bin ein Außenseiter, wohl mit eingehender
Kenntnis von Philosophie und Soziologie, aber als Zeichner, Maler,
Performancekünstler schaue ich auf Soziologie, Philosophie mit einem anderen
Blick.
Ich
tue mich selbst schwer, genau zu erfassen, was ich da zu sehen vermeine, es ist
eher eine Ahnung als ein wirkliches Wissen, auch wenn die Behauptungsform dies
suggerieren mag.
Was
ich vermeine festzustellen, umfasst die gesamte Soziologie, die Form der
Verständigung über soziale Sachverhalte, wie die Verständigung selbst.
Schaut
der Soziologe auf etwas, suche er das sozial Wirksame, soziale Strukturen,
Mechanismen, das im Sozialen Aufgehobene, Integrierte, Ausgeschlossene zu
erkennen, sucht sein Realitätssinn soziale Realitäten zu erkennen, die aber an
sich selbst, in ihrem Sein, gar nicht sozial sind, damit hat sich das
Blinde schon eingeschlichen. Wie die Natur ist das Soziale selbst
(nicht nur „ex post“) sozial nicht einsichtig, der Soziologe ist in der
Soziologie wie der Fisch im Wasser. Der Soziologe ist der Vertriebene aus dem
Paradies und damit ist er mit der Ursünde sozial (nicht moralisch gemeint) sein
zu müssen behaftet.
Was
ist das, was sozial bestimmend ist, selbst aber nicht sozial ist? Oder anders
gesagt, gibt es überhaupt die Möglichkeit dieses andere, Jenseitige des Sozialen
zu erkennen, wenn doch alles vermittelt ist und dadurch schon selbst sozial
bestimmt ist.
Ich
meine hierher gehört der Begriff der Differenz wie ihn Soziologen u.a. N.
Luhmann verwenden.
Zwischen
was und was kann die Differenz festgestellt werden? Wie Du treffend sagst,
erscheint
„Der Begriff der Realität ........ als Begriff
jenseits der Form von Beobachtung differenzlos“.
Die
Differenz muss beobachtet werden können. Das sollte sie auch, nur erscheint
z.B. Natur nicht in einer Differenz zu deren sozialen Wirkung, außer man nennt
das Zuschlagen der Natur, die Katastrophe Differenz, außer man nennt die
Ausbeutung der Natur Differenz? Wenn Ereignisse wie in Fokushima, wo die
Brennstäbe durchbrannten, wenn ein Sturm, ein Erdbeben, eine Lawine, eine
Ölkatastrophe, der Bruch eines Staudammes nicht absehbar sind, die Börse, der
Geldmarkt zusammenbricht usw. so schlägt dies völlig differenzlos zu. Die
Differenz zeigt sich an der Zerstörung, am Kollaps.
Auch
wenn im Privaten Unabsehbares wie Tod, Krankheit, Unfall, Trennung ...uns
trifft, ist das nicht mehr Kontingenz, ist das nicht mehr Differenz, sondern
der Wahnsinn!
Soziologisch
ist das nur eine Zahl, eine Möglichkeit, eines von vielen. Unsere Wirklichkeit
ist aber das des Einzelnen, des Singulär, welcher wiederum, von einer sozialen
Struktur aufgehoben, geborgen oder ausgeschieden werden kann.
Dass
er aber nicht immer aufgehoben, geborgen, ausgestoßen werden kann, ist sozial
schwer fassbar. Das entzieht sich dem Sozialen, bzw. ist sogar sozial
gefährdend.
Ein
anderer Aspekt: Die
Sozialgesetzgebung Mitteleuropas ist eine wunderbare Errungenschaft, die
soziales Verhalten institutionalisiert und damit eigenverantwortliches
Sozialverhalten abbaut, so, dass unsere Gesellschaften segmentiert werden, in
solche, die ehrgeizig in der „Vertikalspannung“ mithalten können und die, die
„horizontal“ mitgeschleppt werden.
Mein
Vergleich des blinden Fleckes der Soziologie mit der Erbsünde hat Proteste
ausgelöst. Man hat mich des „Neusprechs“ aus George Orwells Roman „1984“ bezichtigt, was
mir unverständlich ist, da der
Sündenfall theologisch, als das Sich-seiner-gewahr-Werden des Menschen
angesehen wird. Der Mensch wird sich seines Begehrens bewusst und erkennt sich
als Denkender.
Den
Sündenfall, an den die Erbsünde theologisch gebunden ist. metaphorisch mit dem
blinden Fleck der Soziologie zu vergleichen scheint mir ein geeigneter Vergleich,
der, wie sich zeigt auch produktiv wird.
Den
blinden Fleck über den Subjektbegriff anzuvisieren, ist aber kein einfaches
Unternehmen.
Natur,
Machtverhältnisse, gesellschaftliche Normen, Gewohnheiten, Strukturen und
Systeme, ja die Sprache selbst als handelndes Subjekt anzusehen im Gegensatz
zum Subjekt des Menschen im Singular.
Ja!
Was heißt das?
Die
Sprache, die sich selbst spricht, die Medien die ihre eigene Botschaft sind,
das verbindliche „man“, das Gesetz das eine gelebte Moral voraussetzt oder die
gelebte Moral, die ein Gesetz nötig hat, das Subjekt, das sich aus seinem
Gegensatz, aus der Strafe, der Züchtigung, der Anarchie, dem Widerstand
bildete, die Naturgesetze, die Begrenzung der Ressource, wie der mineralischen Vorkommen, die so oft genannten
Algorithmen......all die können Subjekte sein, Subjekte, die sich selbst
einbringen und so bestimmend wirken, dem gegenüber das menschliche Subjekt sich
als Einzelner wie als soziales Ganzes anpassen muss.
Ob
scheinbar oder notwendig bleibt dann immer noch die große Frage.
Das
Notwendigkeits-Argument ist ja, als Faktum bezeichnete immer noch das siegreiche
und schlagende Argument.
Es
stellt sich die einfache Frage: Wieso ich die Aufgezählten oben nicht als
Objekte bezeichne? Indem ich sie als Subjekte einführe, verkompliziere ich doch
nur alles?
Diese
Frage hebe ich mir für das nächste Mal auf!
Das
wären einige unterschiedliche Einfärbungen der blinden Flecken im Auge des
Soziologen.
Mit
Grüßen aus den sonnigen Bergen
Günter
L.
P.S.:
Die bisherigen Sicht von Individuum und Umwelt gehen davon aus, dass sich der
Mensch die Umwelt, vergleichbar mit dem Tier „weltoffen“ erschließt und das ihm
Fremde integriert. Ich hingegen gehe in meiner Vermutung davon aus, dass der
Mensch alles was sonst Umwelt genannt wird, in sich hat, welches im Denken ihm verloren
ging, er es sich aber auch nur über das Denken wieder aneignen kann (im
Schweiße seines Angesichts).
Der
Unterschied zu den bisherigen Mensch-Umweltkonstruktionen hat er die Umwelt in
sich (nicht solipsistisch, sondern über seinen Körper ist ihm Umwelt
(materiell) biologisch und geistig gegenwärtig), die er sich über eine
erwärmtes Denken erschließen kann – erschließt!
Dank
an Wolfgang Essbach und dem Hinweis auf seinen Artikel: „Zur Anthropologie artifizieller
Umwelt“ in „Ökohistorische Reflexionen“ (Hg.) Kurt W.Alt/Natascha
Rauschenberger